
Jedes Jahr am zweiten Sonntag im Dezember stellen seit vielen Jahren Menschen, die um ein verstorbenes Kind trauern, rund um die ganze Welt um 19.00 Uhr brennende Kerzen in die Fenster.
Während die Kerzen in der einen Zeitzone erlöschen, werden sie in der Nächsten entzündet, so dass ein Lichtband innerhalb von 24 Stunden die ganze Welt umschließt.
Jedes Licht im Fenster steht für das Wissen, dass diese Kinder unser Leben erhellt haben und dass sie nie vergessen werden. Das Licht steht auch für die Hoffnung, dass die Trauer das Leben der Angehörigen nicht für immer dunkel macht. Das Licht schlägt Brücken von einem betroffenen Menschen zum anderen, von einer Familie zur anderen, von einem Haus zum anderen, von einer Stadt zur anderen, von einem Land zum anderen.
Auch in diesem Jahr werden wir wieder gemeinsam einen Gedenkgottesdienst im Gedenken an verstorbene Kinder anlässlich des World Wide Candle Lighting Days feiern. Sie sind herzlich dazu eingeladen.

Trauer und KI – Eine Stellungnahme
Der Arbeitskreis Kinder- und Jugendtrauer hat sich im Rahmen seiner Sitzungen intensiv mit den Themen Trauer und KI auseinandergesetzt.
Da die Entwicklung und der Einsatz von KI auch im Themenfeld der Trauer rasant voranschreiten, ist es den Mitgliedern des Arbeitskreises ein Anliegen, einige Gedanken hierzu zu veröffentlichen.
Grundsätzlich sehen wir trauern als die individuelle Fähigkeit des Menschen auf einen bedeutenden Verlust an, die sich physisch, psychisch, sozial und spirituell äußern kann. Dabei sind Dauer und Intensität abhängig von der Art des Verlusts und der Persönlichkeit der trauernden Menschen.
Hieraus resultieren individuelle Bedarfe, und uns als Trauerbegleitenden ist es wichtig, die Bedürfnisse von trauernden Menschen wahr- und ernst zu nehmen, ihnen einen geschützten Rahmen für ihre Trauer anzubieten und sie auf ihrem Trauerweg individuell, bedingungslos und wertfrei zu begleiten.
Um Menschen professionell in ihrer Trauer begleiten zu können, bedarf es in unseren Augen einer fundierten Ausbildung in Trauerbegleitung nach anerkannten Standards (siehe beispielsweise Standards in der Trauerbegleiter:innenqualifikation des Bundesverband Trauerbegleitung) als auch eine Offenheit für und die regelmäßige Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Diese Auseinandersetzung findet unter anderem in den halbjährlichen Sitzungen des AK Kinder- und Jugendtrauer statt und beinhaltet auch digitale Entwicklungen.
Da wir Risiken darin sehen, dass die momentanen Anbieter*innen von KI-gestützter Trauerarbeit wie Chatbots und Avatare gewinnorientiert arbeiten, stehen wir gerne mit unserer Expertise in Trauerarbeit zur Verfügung, wenn es darum geht, nicht-kommerzielle, trauerwissenschaftlich fundierte Alternativen auf diesem Sektor zu entwickeln.
Uns ist es wichtig, für trauernde Menschen, die zum Rückzug tendieren, immer wieder die Verbindung zwischen KI und Realität herzustellen. Dafür halten wir es für unabdingbar, dass trauernde Menschen reale Begegnungen mit anderen trauernden Menschen aber auch ihren An- und Zugehörigen haben, um die Gefahr der sozialen Vereinsamung und den Verlust eines Alltagsbezugs zu minimieren.
Außerdem wollen wir trauernden Menschen Alternativen zur KI-gestützten Trauerarbeit aufzeigen, wie wir sie seit vielen Jahren ohne Gewinnorientierung anbieten, nämlich in Einzeltrauerberatungen, Trauerbegleitungen, Trauerspaziergängen, Trauerwanderungen, Trauerpilgern, Trauercafés und Trauergruppen. Diese finden teilweise auch digital statt, um schwellenarme Zugänge zu ermöglichen.
Ein Avatar oder Chatbot kann die Möglichkeit bieten, Unausgesprochenes, Ungeklärtes zu äußern, damit die trauernde Person eine (im besten Fall) hilfreiche Resonanz erhält. Auch einen nicht möglichen Abschied bei plötzlichen Todesursachen kann die Nutzung eines Chatbots oder Avatars ermöglichen.
Hier stellt sich die Frage, welches Instrumentarium der KI an dieser Stelle zur Verfügung steht und ob nicht auch Verstörendes in der Kommunikation oder Interaktion zu Tage treten könnte.
Die ständige Verfügbarkeit des Chatbots oder Avatars entspricht dem Bedürfnis vieler trauernder Menschen, jederzeit verfügbare Ansprechpartner:innen zu haben. Diesem Bedürfnis können Trauerbegleitende nicht nachkommen.
Dem Bedürfnis der Klärung, des Verabschiedens und des Verbundenbleibens stellen sich Trauerbegleitende aber mit diversen Gesprächstechniken, Ritualen und Methoden ebenso und trauen trauernden Menschen die jedem Menschen innewohnende Kompetenz zu, mit ihrer verstorbenen Person zu kommunizieren, in Verbindung zu bleiben und diese transformierte Beziehung weiterzuentwickeln.
Ob die dauernde Verfügbarkeit des Avatars oder Chatbots die trauernden Menschen dabei unterstützt, die Realität des Todes zu begreifen und den Verlust in ihr Leben zu integrieren, bleibt abzuwarten und macht wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich nötig. Weiter gilt es zu beobachten, ob und wann es für trauernde Menschen möglich sein wird, den Avatar oder Chatbot nicht mehr zu nutzen und welche Auswirkungen die Beendigung der Nutzung auf den Trauerprozess hat.
Offene Fragen bleiben in unseren Augen zum momentanen Zeitpunkt unter anderem in den Bereichen Datenschutz und Persönlichkeitsrechte, Umgang mit dem Erbe eines Avatars / Chatbots, einer ethischen Kontrolle der KI und eines - auch finanziell - barrierearmen Zugangs.
Wir werden sowohl die technischen Entwicklungen als auch die Auswirkungen der Nutzung von KI-gestützten Trauerangeboten auch in Zukunft regelmäßig in den Blick nehmen und evaluieren.
Ludwigsburg, im Oktober 2025
Arbeitskreis Kinder- und Jugendtrauer










